Viele Eltern wollen ihre Kinder in der Erziehung fördern und füllen daher deren Zeitplan penibel mit Terminen an: Chor und Musikinstrument am Nachmittag, exotische Sprache im Kindergarten, Sport und Ballett nicht zu vergessen. Zurzeit ist geradezu ein Frühförderwahn ausgebrochen, bei dem die kurze Kindheit fast auf der Strecke bleibt.
Dabei meinen es die Eltern nur gut, denn ihre Kinder sollen später in unserer globalisierten Welt konkurrenzfähig sein und die allerbesten Karrierechancen haben. Leider droht aber die Gefahr, dass aus zu starker Förderung schnell eine Überforderung werden kann. Wie können Eltern sicheren Halt finden auf diesem schmalen Grat zwischen Aufstieg und Absturz ihrer Kinder, ohne ihnen ihre glückliche Kindheit zu nehmen, auf die sie ein Recht haben?
Erziehung – Kann Förderung nur ohne Freizeit fruchten?
Als Erwachsene haben wir uns daran gewöhnt, unseren Tagesablauf genau zu planen und einzuteilen, ansonsten würden wir so vieles gar nicht unter einen Hut kriegen. Eltern, welche die Erziehung ernst nehmen, buchen schon früh verschiedene Förderkurse für ihre kleinen Kinder, und das ist auch gut so. Aber wir wollen dabei nicht übertreiben, denn Kinder sind keine Gefässe, die nur dazu da sind, dass wir sie mit vermeintlich interessanten Informationen befüllen.
In der Regel bemerken Eltern frühzeitig die Interessen und Fähigkeiten ihrer Kinder, manche malen gern, andere singen oder tanzen gut und viel. Wenn wir die Förderung darauf konzentrieren, dann wird das Kind den entsprechenden Kurs gern und mit Neugierde besuchen, es entsteht nicht Stress, sondern Freude. Danach muss ein Kind Zeit zum freien Spielen haben, um, ähnlich wie im Traum, alle Eindrücke in Ruhe verarbeiten zu können.
Die Gefahr der Überforderung ist immer dann gegeben, wenn wir dem Kind zu viele Termine setzen, noch dazu mit Tätigkeiten, die nicht altersgerecht sind, die das Kind auch bei grösstem Bemühen gar nicht leisten kann. Da die Kinder hinsichtlich ihrer Talentlagen zu unterschiedlich sind, gibt es diesbezüglich kein Allgemeinrezept, sondern nur die Bitte an alle Eltern, sich wirklich Zeit zu nehmen, die Entwicklung ihres ganz individuellen Kindes genau und mit Sensibilität zu beobachten und die Erziehung entsprechend anzupassen.
Erziehung – Kinder lernen durch Vorbilder
Eine der besten Massnahmen in der Förderung, die wir unseren Kindern angedeihen lassen können, ist es, unsere Zeit gemeinsam mit ihnen zu verbringen. Alles, was wir ihnen vormachen, ahmen sie fast automatisch nach, das ist ihr genetisches Programm. Gemeinsames Kochen, Basteln oder Musizieren sind typische Beispiele. Eltern haben Hobbys, warum also nicht gleich die Kinder in diese Aktivitäten mit einbeziehen?
Wenn Papa gern Fussball spielt, dann liegt es doch nahe, Junior mit auf den Platz zu nehmen. Die Chance, dass dieser dann ebenfalls begeisterter und guter Fussballspieler werden wird, steht bei über 90%. Wenn Mutti schön Klavier spielt, wird sich auch das Kind für die tollen Klänge aus den Tasten interessieren.
Wenn die Kinder etwas grösser werden, funktioniert dieser Automatismus nicht mehr so vorhersehbar, denn dann kommen die Beeinflussungen durch ihre Freunde oder Clique immer mehr zum Tragen. Insofern ist es schon richtig und wichtig, dass wir den kleinen Kindern möglichst viele Chancen geben, immer mal etwas anderes auszuprobieren. Das haben viele Musikschulen oder Sportvereine erkannt und bieten kostenlose kurze Schnupperkurse oder auch nur Tage der offenen Tür an. Es ist empfehlenswert, diese Angebote gemeinsam mit den Kindern anzunehmen.
Spielen ist für Kinder eine ernste Angelegenheit und gleichzeitig eine Form der Erziehung
Jedes Kind braucht ausreichend Zeit zum Spielen, ob allein oder mit Freunden. Sogar Langweile hat ihren berechtigten kreativen Platz im Tagesablauf eines Kindes. Und je einfacher ein Spielzeug ist, desto mehr ist die Kreativität des Kindes gefordert. Zu viele komplexe elektronische Funktionen an einem Spielzeug sind kein Garant dafür, dass Junior später ein hoch bezahlter Computerspezialist werden wird.
Kinder wollen spielerisch eigene Erfahrungen sammeln können. Das geht gut mit verschiedenen Materialien. Aus Holz, Papier und Pappkarton, Stoffresten, Farben & Co. können Kinder mit ein wenig Anleitung vieles selber basteln, was ihrer kreativen Entwicklung dient und die gewünschte Förderung unterstützt. Bitte loben Sie Ihr Kind auch dann, wenn seine ersten Kreationen etwas nach Müll aussehen. Entsprechende moderne Kunst wird zuweilen hoch gehandelt. Dafür stellen wir dem Kind Platz zur Verfügung, wo auch mal ein Farbtöpfchen umkippen darf. Und das weisse Sonntagskleidchen wird durch einen grauen Kittel ersetzt, dem noch ein paar Tropfen Klebstoff nichts ausmachen. So ausgerüstet ist jedes kleine Missgeschick ohne Schimpfen zu verkraften, und der freien handwerklich-künstlerischen Entfaltung des Kindes steht nichts mehr im Wege.
Hochbegabte Kinder brauchen besondere Förderung
Zuweilen stösst man auf die überraschende Überzeugung, dass man hochbegabte Kinder daran erkennt, dass sie schlecht oder zappelig in der Schule sind. Es handelt sich in diesen Fällen oftmals um sehr ehrgeizige Eltern, die es nicht wahrhaben wollen, dass ihr Kind intellektuell leicht unterdurchschnittlich ist. Aber woran erkennt man dann die Hochbegabung?
Auch dafür gibt es wieder kein Patentrezept, aber doch schon Hinweise. Es gibt zum Beispiel Kinder, die sich auch eher mal zurückziehen von den anderen spielenden Kindern, um in einem stilleren Eckchen in Büchern zu blättern, oder sie beschäftigen sich absolut aus eigenem Antrieb mit einem Musikinstrument, konzentrieren sich dabei sehr und tun dies auch über längere Zeitstrecken. Dass diese Kinder geradezu nach einer guten Anleitung in der Sache rufen, ist kaum zu übersehen. Und ganz egal, ob wir diese Kinder als hochbegabt bezeichnen oder nicht, ihren IQ ausmessen oder nicht, es besteht in diesen Fällen immer eine Wahrscheinlichkeit, dass wir sträflich ein Talent oder Motivation verkümmern lassen, wenn wir die Gelegenheit nicht gleich beim Schopfe packen.
Nun sollten Eltern nicht aus falschem Ehrgeiz ihr Kind zum „Wunderkind“ verdrehen. In der Psychologie ist es eine bekannte Tatsache, dass sich Eltern oftmals selbst über ihre Kinder definieren wollen, sie versuchen, ihre eigenen verpassten Träume in ihre Kinder zu projizieren. Das ist natürlich der falsche Weg, der die eigenständige Entwicklung des Kindes nachhaltig stören kann. Was Kinder am meisten brauchen, das ist unsere ehrliche Liebe, sie bedeutet in der Tat die grösste Unterstützung und Förderung für unser Kind auf seinem langen Weg zu einer starken und kreativen Persönlichkeit. Eltern, die ihre Kinder fördern wollen, sollten vor allem liebende aufmerksame Eltern sein.
Weitere Informationen zum Thema Erziehung der Kinder
Allgemeine Informationen zum Thema Erziehung finden finden Sie auf Wikipedia
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