High Need Baby / High Need Kinder – verstehen und begleiten

High need Baby / High need Kinder

Ein zweiter Strich – das lange ersehnte Baby!

Ob man ein High Need Baby oder ein High Need Kind haben wird, daran denken die wenigsten Paare, denn die Freude ist gross, wenn man dem Partner endlich einen zweiten Strich auf dem Schwangerschaftstest präsentieren kann. Ab sofort beginnt eine spannende Zeit – neun Monate lang bereitet man sich akribisch auf das Baby vor. Man besucht Kurse, liest Bücher, spielt dem Baby Musik vor oder übt schon einmal erste Fingerspiele. Wer kennt sie nicht, die Bilder von stillenden Müttern, die mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht auf ihr friedlich trinkendes Baby blicken? Fotos von kleinen Menschlein, die mit wachen Augen in die ihnen noch völlig fremde Welt schauen?
Dann ist das Baby da – und plötzlich ist nichts so, wie man es sich vorgestellt hat. Kein liebevolles Kuscheln in entspannter Atmosphäre. Keine glücklichen Stunden zu dritt. Sondern ein ewig unzufriedenes, nörgelndes oder schreiendes Baby, gestresste, an Schlafmangel leidende Eltern und die ewige Frage: Sind wir schuld daran, dass unser Kind nur zu schreien scheint?

High Need Kinder oder ein High Need Baby braucht mehr

Der Begriff „High Need Baby“ und „High Need Kinder“ wurde zuerst von dem amerikanischen Kinderarzt Dr. William Sears geprägt. Zusammen mit seiner Frau Martha hatte er bereits zwei pflegeleichte Kinder und konnte absolut nicht nachvollziehen, warum Eltern am Ende ihrer Kräfte seinen Rat suchten.
Dann kam seine Tochter Haley zur Welt, und plötzlich änderte sich alles. Denn Haley schien nie zu schlafen. Sie liess sich nicht ablegen. Sie schrie fast ununterbrochen. Nur an der mütterlichen Brust war sie zufrieden. Nach wenigen Wochen war seine Frau Martha am Ende ihrer Kraft. Und da konnte Dr. Sears manche Eltern verstehen. Er begann, tausende Babys auf ihre Bedürfnisse hin zu untersuchen und kam zu einem verblüffenden Ergebnis: Manche Kinder scheinen von Natur aus einfach mehr zu brauchen als andere – mehr Liebe, mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuwendung, mehr Mama. Oft sind sie sehr sensibel und können schlecht abschalten. Ihr Geschrei ist ohrenbetäubend und schwer auszuhalten, gerade weil es so dringlich klingt. Eltern, die ohnehin schon am Rande des Zusammenbruchs sind, erhalten dann oft verwirrende Ratschläge, die ihnen noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen machen.

„Der hat euch ja schon gut im Griff!“

Der schlimmste Rat von allen ist der, dass man sein Kind angeblich verwöhne. Dazu sei angemerkt, dass man ein Baby im ersten Lebensjahr im Prinzip gar nicht verwöhnen kann, denn ein Baby tut nur das, worauf es seit Jahrtausenden „programmiert“ wurde – es versucht zu überleben. Hat man ein Baby vor mehreren tausend Jahren abgelegt, wurde es vielleicht gefressen oder ist erfroren. Ein Baby, das abgelegt werden soll, tut also im Prinzip das einzig Richtige. Es fordert seine Bindungspersonen auf, es tunlichst wieder auf den Arm zu nehmen. Nicht umsonst nennt man High Need Baby’s auch Steinzeitbabys, denn die wissen genau, dass sie nur in Sicherheit sind, solange sie sich auf jemandes Arm befinden. Woher sollen sie auch wissen, dass es in unserer modernen Welt Häuser mit stabilen Wänden und warmen, sicheren Bettchen gibt und dass eben nicht mehr der Säbelzahntiger nur auf eine günstige Gelegenheit wartet?

Was tun?

Hat man ein besonders forderndes Baby, ist es vor allen Dingen ratsam, sich Hilfe zu holen. Aktivieren Sie Freunde und Verwandte! Schämen Sie sich nicht, zu sagen: „Wir schaffen es gerade nicht. Bitte hilf uns!“ Lassen Sie sich bekochen, lassen Sie sich den Haushalt machen. Legen Sie sich mit Ihrem Baby ins Bett, ruhen Sie sich aus und kuscheln Sie! Geniessen Sie die intensive Zeit!
Suchen Sie sich eine Stillgruppe in Ihrer Nähe und halten Sie aktiv Ausschau nach Eltern, denen es ähnlich geht wie Ihnen. Vergleichen Sie auf gar keinen Fall Ihr Baby mit pflegeleichten Babys! Jedes Kind ist anders. Hebt eine Mutter hervor, wie pflegeleicht und ruhig ihr Kind ja sei, dann erwidern Sie selbstbewusst, dass Ihr Baby eben einen besonders starken Willen habe und dass dieser es im Leben weit bringen wird.
Stillen Sie nach Bedarf. Denn Stillen ist nicht nur Nahrung für ein Baby, sondern auch eine besonders schöne Kuscheleinheit.
Ein Tragetuch kann Abhilfe schaffen, wenn das Baby den Kinderwagen oder das Ablegen nicht mag.
Schreit das Baby sehr viel, kann auch eine Schreiambulanz oder eine gute Nachsorgehebamme helfen.
Und zu guter Letzt: Geben Sie sich auf gar keinen Fall die Schuld! Ihr Baby ist gut, wie es ist – und Sie sind als Eltern gut so, wie Sie sind!

Alles nur eine Phase

Auch die härteste Phase geht einmal vorbei. Begleitet man ein High Need Baby bedürfnisorientiert, wird man bald mit Staunen auf ein offenes, herzliches, hilfsbereites, sensibles und selbstbewusstes Kleinkind blicken, das alle Herzen im Sturm erobert. Denn auch diese Eigenschaften sind absolut typisch für High Need Kinder.

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